Manfred Hellrigl

Eine besondere Überlieferung außerhalb der Schriften, unabhängig von Wort und Schriftzeichen:
Unmittelbar des Menschen Herz zeigen, -
die eigene Natur schauen und Buddha werden."

Der erste Patriarch des Zen

Bodhidharma

Was haben ein wütender Mönch,
ein Dopingmittel und Zen gemeinsam?

Wenn du schon eine Weile meditierst und bereits in dem einen oder anderen Meditationszentrum gewesen bist, dann ist dir mit hoher Wahrscheinlichkeit schon mal das Bild von Bodhidharma begegnet, jenem meist etwas dicklich dargestellten älteren Herrn mit dem strengen Blick und den ungewöhnlich großen Augäpfeln. 

Er entspricht ziemlich genau dem, was man eine Legende nennt.

Bodhidharma lebte im 6. Jahrhundert in China und war der allererste Patriarch des Zen. Ursprünglich aus Indien kommend, reiste er ins Reich der Mitte, um dort nicht weniger als neun Jahre lang in einer Höhle zu meditieren. 

Obwohl hoch motiviert, geschah es doch eines Tages, dass er beim Meditieren einschlief. Darüber war er so verärgert, dass er sich – um nie wieder einzuschlafen – seine Augenlider abriss. Angeblich sind dann an der Stelle, an der seine Lider zu Boden fielen, die ersten Teepflanzen gewachsen.

Ob sich das alles damals wirklich so zugetragen hat, wissen wir nicht. Tatsache ist aber, dass der Grüne Tee eine zentrale Rolle in der buddhistischen Tradition spielt. Das anregende Getränk ist so etwas wie ein legales Dopingmittel für Meditierende, denn es hilft wach zu werden bzw. wach zu bleiben.

Der amerikanische Journalist Michael Pollan hat ein spannendes Buch über die Kulturgeschichte von Kaffee, Mohn und Kaktus geschrieben, indem auch der Tee prominent abgehandelt wird.

Besonders interessant finde ich dabei, wie unterschiedlich man ein und dieselbe Substanz einsetzen kann: Im Westen wurde und wird die anregende Wirkung von Koffein in Tee und Kaffee traditionell dafür genutzt, um konzentrierter und produktiver zu arbeiten. So hängen laut Pollan Industrialisierung und Koffeingenuss direkt zusammen. 

Anders im Osten. In China wurden die ersten Teeplantagen von Jahrtausenden von Mönchen angelegt, als sie entdeckten, dass das Getränk ein wichtiges Hilfsmittel für die Meditation war.

Wenn du das nächste Mal am Morgen meditierst, dann mach dir doch vorher ein feines Tässchen Grünen Tee. Beobachte dann beim Sitzen, wie sich die anregende Wirkung des Getränks in deinem Geist entfaltet. Und vielleicht ist das auch eine gute Gelegenheit, um ein paar Gedanken der Dankbarkeit in Richtung unseres Urahns Bodhidharma zu schicken, dem wir dieses köstliche Getränk und die wunderbare Praxis des Zen verdanken, die uns beide helfen, einen klareren Geisteszustand zu erlangen.