Eine der einflussreichsten Wissenschaftlerinnen unserer Zeit, Donella Meadows, machte eine verblüffende Entdeckung: Der wirkungsvollste Punkt, um ein System zu verändern, ist nicht das, was die meisten Menschen versuchen würden.

Nicht neue Gesetze. Nicht mehr Geld. Nicht bessere Technologie.

Sondern etwas völlig anderes: 

Die Veränderung unserer inneren Haltung, unserer Einstellung, unseres Mindsets, aus dem heraus das ganze System entstanden ist.

In ihrer berühmten Liste der „Hebelpunkte“ steht dieser Punkt ganz oben, äh, sorry, ganz unten – wirkmächtiger als alle konkreten Maßnahmen zusammen.

Das klingt auf den ersten Blick vielleicht abstrakt, aber es ist das Praktischste überhaupt!

Genau das erlebte ich nämlich kürzlich bei einer guten Freundin.

Wenn der Körper zum Lehrer wird

Diese Freundin litt unter starkem Tinnitus. 

Wochenlang. 

Das ständige Klingeln und Rauschen in den Ohren machte sie fertig. 

Kein Arzt konnte helfen, keine Therapie brachte Linderung. 

Sie war verzweifelt, kämpfte gegen dieses Geräusch an, versuchte es zu übertönen, zu ignorieren, wegzumachen.

Als ich sie nach einiger Zeit wiedersah, war ich mehr als überrascht: Sie wirkte völlig entspannt und wieder bei sich.

„Wie hast du das geschafft?“, wollte ich natürlich von ihr wissen. 

Ihre Antwort war verblüffend einfach: 

„Ich habe aufgehört, gegen meinen Tinnitus zu kämpfen.“

Irgendwann war ihr klargeworden, dass der Tinnitus nicht ihr Feind war, sondern ihr Lehrer. 

Ein Signal, das ihr zeigen wollte, dass sie wieder einmal dabei war, sich zu sehr in etwas hineinzusteigern. 

Sie erkannte, dass immer, wenn dass Klingeln in den Ohren stärker wurde, das etwas zu bedeuteten hatte. Dass es eine Art Botschaft an sie war: 

„Nicht so viel. Nicht so schnell. Nimm dir Zeit!“

Das war zwar nicht das, was sie eigentlich hören wollte. 

Aber so gelang es ihr nicht nur, sich mit ihrem Tinnitus zu arrangieren – sie lernte, auf ihn zu hören!

Das Paradox: Sobald sie aufhörte, ihn zu bekämpfen, verlor er seine Macht über sie.

Was hat das mit dir und mir und mit der Welt zu tun? 

Alles.

Wir leben in einer Zeit, in der viele Menschen gegen irgendetwas ankämpfen. 

Gegen die Politik, gegen den Klimawandel, gegen unkooperative Kollegen, gegen eine Gesellschaft, die nicht so funktioniert, wie sie sollte.

Der Kampf ist verständlich. 

Aber er ist oft auch der Grund, warum sich so wenig verändert.

Meadows erkannte: Wenn wir aus derselben Grundhaltung heraus handeln, die das Problem erschaffen hat, können wir das Problem nicht lösen. Wir drehen uns im Kreis.

Die wirkliche Transformation beginnt mit einer anderen Frage:

„Was will mir dieses Signal, diese Störung zeigen?“

 

Drei Schritte des paradigmatischen Wandels

Schritt 1: Den Widerstand erkennen

Bleib stehen. Halte inne. Schau genau hin.

Gegen was kämpfst du gerade an? 

Welche Situation, welche Person, welcher Umstand raubt dir Energie?

Auch wenn es schwierig ist, spüre bewusst nach: Wo kannst du den Widerstand spüren? Wie fühlt er sich in deinem Körper an? Wann wird er stärker? Wann lässt er nach?

Das Gewahrsein dieser Energie und deines Kampfes gegen sie ist dein Ausgangspunkt.

Meine Freundin kämpfte verzweifelt gegen das Geräusch in ihrem Kopf.

Doch der Kampf machte alles schlimmer.

Schritt 2: Das Problem als Lehrer befragen

Statt zu fragen „Wie werde ich das los?“, ist es vielleicht besser zu fragen: „Was will mir das zeigen?“

So wechselst du von der hilflosen, ohnmächtigen Opfer-Haltung zur machtvollen Lern-Haltung. 

Auch wenn wir es anfangs kaum glauben können: Jede Störung, jedes Leiden, jeder Widerstand trägt kostbare Information in sich – über uns, über das System, über das, was wirklich verändert werden will.

Der Tinnitus wurde so für meine Freundin zum Lehrer für Achtsamkeit. 

Was könnte deine aktuelle „Störung“ dich lehren?

Schritt 3: Aus der neuen Haltung heraus handeln

Wenn du verstehst, was die Situation dir zeigen will, verändert sich automatisch dein Handeln und Sein. 

Du kämpfst nicht mehr GEGEN etwas, sondern engagierst dich FÜR eine Vision.

Das ist der Unterschied zwischen unbewusstem Reagieren und bewusstem Antworten.

Zwischen Wut-gesteuertem Aktivismus und liebevollem, mitfühlendem Engagement.

Meiner Freundin ist es so gelungen, den entscheidenden Schritt zu machen: statt sich über die Signale und Hinweise ihres Körpers zu beschweren, hat sie damit begonnen, besser auf die Signale ihres Körpers zu achten und entsprechend zu handeln. 

Der Hebel für echten Wandel

Und es scheint, dass Donella Meadows recht hatte: Die Veränderung unseres eigenen Mindsets ist der mächtigste Hebel für Systemveränderung.

Nicht, weil wir uns zurückziehen und nichts mehr tun. 

Sondern weil wir aus einer völlig anderen Haltung heraus handeln. 

Einer Haltung, die selbst schon die Lösung verkörpert.

Menschen spüren das. Systeme reagieren darauf. Die Welt verändert sich – von innen nach außen.

Meine Einladung an dich 

Mache deine nächste Störung, die nächste Irritation zu deinem persönlichen Lehrer und Coach!

Wenn du das nächste Mal merkst, dass dich etwas auf die Palme bringt, dass du gegen etwas ankämpfst – sei es der nervige Kollege, die politische Entwicklung oder der Stau auf der Autobahn – halte inne.

Frage nicht: „Wie werde ich das los?“

Frage stattdessen: „Was will mir das zeigen?“

Und dann höre zu. 

Wirklich zu.

Was könnte es sein, was dir das Leben mitteilen möchte?